Rezension von Michael Baumgartner
England im Jahre 1922, die Astronomen sehen auf dem Mars, der sich wieder der Erde nähert, Aktivitäten wie vor der Invasion. Aber nun ist das Empire vorbereitet. Man schickt Truppenverbände dorthin, wo auch schon die ersten Zylinder vom Mars gelandet sind, in den Nordwesten von London. Doch die Marsianer haben gelernt, und die in "Krieg der Welten" beschriebenen Invasoren waren nur eine Erkundungsmission, die zudem nicht ganz ausgelöscht wurde. Die Marsianer haben die ganze Welt im Blick. Sie greifen die großen Städte auf der ganzen Welt an. Sie sind dabei sehr erfolgreich. Und es wird auch klar, dass sie die ebenfalls von intelligenten Lebewesen bewohnte Venus erobert haben. In ihrer Verzweiflung bekommen Wissenschaftler, inspiriert durch Beobachtungen auf der Erde und der Venus, die Chance, eine nichtmilitärische, dafür umso fantastischere Idee umzusetzen, um so vielleicht das Blatt zu wenden.
.
Die ganze Entwicklung der SF von Wells bis heute liegt zwischen „Krieg der Welten“ und „Das Ende der Menschheit“ und die kann Baxter nicht einfach beiseite lassen. Er tut das auch nicht, er findet Wege, die unautorisierte Fortsetzung von Jenkins' Bericht, wie der Roman im Roman genannt wird, zu schreiben. Und selbst H.G. Wells kommt vor, wird aber nicht namentlich genannt. Sehr akribisch hat sich Baxter mit dem Klassiker studiert, er wollte jeden Aspekt, mit dem man sich seither befasst hat, irgendwie einbauen. Er hält sich penibel an die Topographie, vermutlich viel eingehender als Wells selbst, um seiner Erzählung ein solides „faktisches“ Fundament zu geben. Zu Anfang wirkt das noch etwas trocken, dann merkt man das nicht mehr.
Der Heyne Verlag dachte wohl, dass der Titel „Das Ende der Menschheit“ mehr nach Science Fiction klingt als „Das Massaker am Menschengeschlecht“, und nahm die Irreführung des Lesers in Kauf. Die eigentlich nicht groß sein dürfte, denn zu Beginn wird durch die Rückschau beim Erzählen klar, dass ein Teil der Menschheit überlebt hat. Und damit ist das einer von Baxters positivsten Romane geworden. Was den Roman aber zur „offiziellen“ Fortsetzung macht, wie auf dem Cover behautptet, entzieht sich aber dem Rezensenten.
Sehr plausibel ist die Entwicklung, nach dem Tod der Marsianer durch Bakterien. Offiziere, die sich hervorgetan haben, erlangen auch politisches Gewicht. Weil mit einem weiteren Versuch zu rechnen ist, will man gewappnet sein, und das Königreich wird militarisiert, was auch dazu führt, dass sich die politische Landschaft verändert. Zumal Großbritannien nicht in den ersten Weltkrieg eintreten kann, so dass das deutsche Kaiserreich Frankreich erobern kann und auch in Russland erfolgreich ist, auch wenn der Krieg dort immer noch andauert, Mehr noch, es gibt einen militärischen Beistandspakt zwischen dem Königreich und dem immer noch existierenden deutschen Kaiserreich.
In seiner Detailversessenheit wirkt diese Fortsetzung wie ein Kommentar zum Original. Das liest sich gelegentlich wie ein indirekter Vorwurf an Wells, das Invasionsszenario nicht richtig durchdacht zu haben.
Der Roman kommt dennoch nicht an die konzentrierte Darstellung von „Krieg der Welten“ heran. Die Intension ist auch eine andere. Typisch für Baxter ist der größere kosmische Rahmen, den er um den Roman konstruiert, auch wenn der zur SF um 1900 passt. Dennoch ein faszinierendes Unterfangen und Gedankenexperiment, das ich mit Gewinn lesen gelesen habe, auch wenn es nicht so spannend wie Wells' Roman war.
(The Massacre of Mankind, 2017) Dt. Erstausgabe, Heyne Paberback, München 2017, aus dem Englischen von Peter Robert, ISBN 978-3-453-31845-8, 588 Seiten.