Paul J. McAuley: Pasquales Florenz

(Pasquale's Angel, 1994) Originalausgabe, Eichborn 1995. Aus dem Englischen von Susanne Aeckerle. 440 S. Titelbild: Rüdiger Morgenweck. ISBN 3-8218-0364-9

von Michael Baumgartner

Was wäre geschehen, wenn Leonardo da Vinci statt der Kunst seine technischen Erfindungen weiterverfolgt hätte und die Erfindungen rasch aufgegriffen worden wären? Diese Frage hat sich auch McAuley gestellt und sie in einem Roman beantwortet. Sein Florenz des 16. Jahrhunderts ist eine Industriestadt, gefüllt mit dampfgetriebenen Autos und Fabriken, denn die Umsetzung der Erfindungen hat eine industrielle Revolution ausgelöst, die Florenz zur mächtigsten Stadt Europas gemacht hat, denn nicht die Spanier, sondern die Florentiner treiben Handel mit Amerika. Die Renaissance als Blüte der Kunst gibt es hier nicht, kein besonders erbauender Gedanke. Nicht der Kunst gehört die Aufmerksamkeit der Gesellschaft, sondern der Technik. Deshalb haben es auch die Künstler schwer, sie werden zu Kunsthandwerkern im Dienst der Mechaniker. <br>Pasquale ist der Meisterschüler eines wenig erfolgreichen, aber sehr talentierten Malers. Als die turbulente Handlung ansetzt, beschäftigt er sich gerade damit, wie man einen Engel malt. Bei einem Aufzug der Malergilde zu Ehren des Papstbesuches wird er Zeuge einer Auseinandersetzung zwischen Raffael und Salai, dem Geliebten Leonarda da Vincis. Später im Haus eines reichen Mannes, der Raffael beherbergt, kommt es zu einem Mord, der scheinbar gar nichts mit der Sache zu tun hat. Damit beginnen die Intrigen und politischen Verwicklungen, in denen Rom, der Papst, Florenz, Genua verwickelt sind und die Atmosphäre in der Stadt immer mehr zum Kochen bringen. Alles scheint sich um ein kleines Modell eines Gefährts von da Vinci zu drehen, das Pasquale ohne böse Absichten an sich genommen hat. Er wird verfolgt, dass er gar nicht weiß, wie ihm geschieht. Bei seinen Bemühungen um Aufklärung und Hilfe begegnet er dabei vielen historischen Figuren, die eine andere Bedeutung als in der überlieferten Geschichte haben. So ist Macchiavelli ein abgebrühter Journalist amerikanischen Zuschnitts. Die Gioconda taucht auf, auch Kopernikus als Kopernigk, der noch nichts entdeckt hat. Und er begegnet dem greisen genialen Schöpfer selbst. Von ihm selbst erhofft er sich Auskunft.

Im letzten Drittel des Romans tritt jedoch ein Magier mit seinen Schergen auf, der ebenfalls um Reichtum und Einfluss mit allen Mitteln kämpft, und auch nicht vor Mord zurückschreckt. Er ist dann auch der Schlüssel zu allem, und auf seinem Anwesen findet auch der Showdown statt. Am Ende weiß Pasqule dann, wie er seinen Engel malen soll.

Der Roman ist außerordentlich figurenreich und auch sehr anschaulich. Das verfremdete Florenz tritt dem Leser mit allen seinen Facetten entgegen, McAuley hat sehr genau recherchiert, und das wirkt sich auch positiv aus. Auch die Figuren wirken beseelt, wenn auch McAuley nicht ohne Klischees auskommt.

Die Action und die Kriminalhandlung nehmen viel Raum im Roman ein, so dass für meinen Geschmack den interessanten Problemstellung Kunst und Technik, die Stellung der Kunst selbst zu wenig Bedeutung geschenkt wird. Es wird verfolgt und geflohen, gestritten und getafelt, gekämpft und geruht. Alles ziemlich atemlos.

Dennoch kann man diesen Roman empfehlen, er ist ein echter Schmöker, eine faszinierende Crossovermischung zwischen Krimi, Historie und spekulativer SF

 

 

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